Wir schaffen es, mit
dem Hilfsruder des Windpiloten, bis zum Ankerplatz vor Hanga Roa.
Kaum haben wir den Anker heruntergelassen kommt Arturo in seinem
offenen Boot durch die Wellen heran und bringt unser teuer bezahltes
Ersatzteil für den Außenborder. Die Zündspule für 250U$ wird
immerhin direkt an Bord geliefert.
Wir sollen zur Armada
kommen und fragen Arturo, ob er uns nach Hanga Piko fährt.
Dort wartet schon Helga
auf uns. Wir sind uns sofort sympathisch. Ohne Helga wären wir
ziemlich aufgeschmissen gewesen. Helga nannte es später: Liebe auf
den ersten Blick.
Sie fährt mit uns zur
Armada und übersetzt für uns. Der Capitán de Puerto,
Eduardo Ortiz Diaz entscheidet, ob wir nach Hanga Piko einlaufen
dürfen. Bei Hochwasser am nächsten Morgen ist es möglich; oder
sofort. Das Wetter soll so bleiben, aber der Wind soll morgen
zunehmen und es wird schwieriger dort einzulaufen.
Außerdem
sind wir auf die Hilfe der Armada angewiesen. Sie muss uns mit ihrem
Boot in den kleinen Hafen schleppen, da wir auf so kleinem Terrain
manövrierunfähig sind.
Ich habe
schreckliche Angst, denn der Ritt mit dem Dinghi sitzt mir noch
tiefer in den Knochen, als ich dachte. Helga ist eine große Stütze
und begleitet uns mit dem Boot der Armada zum Ankerplatz. Wir bringen
Fender an Backbord aus. Die Marinesoldaten nehmen uns an die
Steuerbordseite ihres starken Schiffes und zurren alle Leinen fest.
Im Doppelpack geht es nach Hanga Piko. Die Wellen sind noch enorm und
die Einfahrt in den Hafen ist schmal. Von weitem sieht man bereits
den Torso der im letzten Jahr gestrandeten LaRose aus Südafrika auf
der Seite an Land liegen. Kein schöner Anblick und ich drücke die
Daumen, dass alles glatt läuft mit uns.
Auch Helga
beißt sich auf die Fingerknöchel und schaut angespannt immer wieder
zu uns herüber.
Die Jungs
von der Marine leisten gute Arbeit und bringen uns sicher nach Hanga
Piko.
Der
Liegeplatz ist direkt in der Hafeneinfahrt und bei bewegter See kommt
dort ein furchtbarer Schwell und eine enorme Strömung hinein.
Eine Nacht
müssen wir dort ausharren. Die Tampen knarren und Anico wird hin und
her geschubst. An Schlaf ist nicht zu denken. Immer wieder
kontrollieren wir die Festmacherleinen. 3 16mm Leinen sind
durchgescheuert. Auch den Anker mussten wir zur Sicherheit
herunterlassen.
Von der
Kaimauer werden wir auf deutsch begrüßt. Ein junger Mann mit
Schutzhelm gibt sich als Landsmann zu erkennen. Johannes hat es der
Liebe wegen nach Rapa Nui verschlagen. Er ist mit Hana, der Tochter
des Chefs, verheiratet und hat einen kleine Sohn.
Ich frage
Johannes, ob er für uns übersetzten kann. Na klar, ist ja auch mal
eine Abwechslung zum Abgleich der Ladelisten. Wir sind dankbar, dass
auch hier wieder unsere Glücksfee eingegriffen hat.
Am Tag
darauf soll Anico aus dem Wasser gehoben werden.
Dies ist
kein Hafen und die Männer heben sonst Paletten aus den Barkassen,
die zum Entladen der auf Reede liegenden Cargoschiffe kommen. Nur
wenn, wie wir, mal ein Segler dort heraus gehoben werden muss, dient
der Kran auch dazu. Himmel, wie wird unsere Anico aussehen hinterher,
und vor allem: wie soll sie aufgebockt werden?
Der Chef
Jorge Pont, genannt Tongariki, schaut sich Anico lange an und kaut
auf seinem Zeigefingerknöchel. Und dann geht es los:
Der Kran
wird herangefahren und die Gurte kommen unter Anicos Bauch. Die
Männer haben alle Stiefel mit Profil an, in dem sich der rote
Schlamm, der seit dem Regen den feinen roten Sand auf dem Ladeplatz
durchweicht hat, festgesetzt hat. Damit laufen sie nun bei uns an
Deck rum, na toll! Da müssen wir nun wohl durch.
Luis, der
Kranführer, macht seine Sache gut. Vorsichtig wird Anico an Land
gestellt. Ein Container steht schon dort und unser Segelboot wird ein
wenig schräg dort gegen gelehnt. Ein zweiter Container kommt auf die
andere Seite. Michael verzurrt die Container miteinander, damit sie
nicht auseinander rutschen. Auf Michaels Drängen, wird noch ein
dritter Container zur Sicherheit daneben gestellt. Darüber macht
Tongariki seine Witze, denn was er hier hingestellt hat, ist noch
niemals verrutscht.
Es ist der
14.03.2013 und Anico steht schief, aber heil, zwischen den Containern
an Land. Hier wird Michael, mal im Regen durchweichten Boden, mal bei
Sonnenschein, zwei Wochen lang das Hauptruder reparieren.
Johannes
taucht fast jeden Tag, wenn Michael Feierabend macht, auf und fährt
uns mit dem Auto „nach Hause“. Für Helga war es
selbstverständlich und sofort klar, dass wir bei ihr wohnen. Sie hat
neben ihrem, am anderen Ende des Ortes, gelegenen Hauses noch ein
Gästehaus, welches wir zwei Wochen lang bewohnen durften.
Fantastisch, wie hilfsbereit und großzügig, wo wir uns doch gar
nicht kennen. Wir sind so glücklich darüber, denn auf dem Boot zu
wohnen, bei dem Dreck, der Schieflage und ohne Wasser an Bord, ist
das Gästehaus für uns der
pure Luxus.
Die Tage,
an denen ich Michael nicht helfen kann, bleibe ich in unserem neuen
Heim. Helga ist Journalistin und bringt jeden Monat zweisprachige
Artikel (spanisch/englisch), vor allem über die Geschichte
der Osterinsel, in ihrer
eigenen Hochglanzzeitschrift
heraus.
Außerdem
hat sie einen Großhandel für T-Shirts,
Tischdecken, Hemden, Tücher und kleinere Artikel, die sie nach
ihren eigenen Entwürfen
anfertigen lässt, und an die Geschäfte auf der
Insel verkauft.
Der kleine
Showroom in ihrem Haus ist in
der Woche bis 16:00h geöffnet und kann von Jedermann besucht werden.
Vicki
hilft ihr, und
wenn grad kein Kunde im Laden ist, bereitet Vicki das Mittagessen.
Manchmal
kommt der eine oder andere
Interviewpartner für einen Artikel vorbei. Dann kommt ein Teller
mehr auf den Tisch. Auch für mich ist immer gedeckt, wenn ich da
bin. Ein Leben, wie im Paradies.
Am Ende
der zwei Wochen fällt uns der Abschied mächtig schwer, aber das
Ruder ist repariert und Anico kommt am 27.03.2013 zurück ins Wasser.
Wir besorgen Bier und Grillfleisch für die Männer von Tongariki für
ein Abschieds-Asado.
Dann wird
uns die Rechnung präsentiert: 2.000U$ für das Ein- und Auskranen.
Wir fallen fast vom Stuhl, denn Tongariki, der leider für ein paar
Tage in Santiago de Chile ist, sprach immer von 1.000U$. Damit hatten
wir ja gerechnet, aber das Doppelte?! Uns sind die Hände gebunden
und so gehe ich zum Geldautomaten und ziehe den Gegenwert in
Chilenischen Peso.
Am
nächsten Morgen überraschen uns Hana, Johannes und Söhnchen
Tongariki Guido, benannt nach seinen Großvätern. Zum Abschied haben
sie uns jeweils eine Halskette und einen aus Holz
geschnitzten Moai zur
Erinnerung mitgebracht. Wir sind gerührt. Haben
wir doch auch bei den beiden im Haus ein zauberhaften Abendessen
erleben dürfen. Danke Johannes und Hana.
Wir laufen bei relativ ruhigem Wetter mithilfe der Armada wieder aus dem
Hafen, und setzen gleich Kurs auf die Iles Gambier ab. Nicht ohne
dass die Armada nochmal 12.000 Pesos für irgendwas verlangt, was ich
nicht verstehe. Ich habe noch 20.000 Pesos (etwa 30 EUR), die ich dem
jungen Mann über die Reling reiche, ohne dass ich das Wechselgeld
erhalte – egal, jetzt nur noch weg hier!
Die kleine
Familie schaut uns nach, wie wir langsam an der Brandung vorbei
kommen.
Wehmut und
Erleichterung begleiten uns noch lange.
In einer
späteren E-Mail erfahren wir, dass Helga eine Quittung über 10.000
Pesos für uns bekommen hat. Sie ist noch nach Hanga Piko gefahren,
um uns zu erwischen, aber wir waren schon weg. In der Ferne sah sie
Anico auf den Wellen schaukeln und blickte uns ebenso wehmütig nach,
wie wir den Abschied von ihr empfunden haben. Danke für alles Helga!