Ich sitze an Deck und
lasse meinen Blick achteraus über den Horizont wandern. Schon der
vierte Tag auf See. Ist es wirklich schon so lange her? Und ist uns
das alles wirklich passiert?
Erneut gleitet mein
Blick über dieses endlose Blau. Eine leichte Brise schiebt uns mit
vier Knoten in westliche Richtung. Die Dünung ist unglaublich hoch.
Sie hebt ANICO im glitzernden Sonnenlicht bis auf ihren Kamm und
lässt sie seicht wieder ins Tal hinabgleiten. Am Horizont glitzert
die Dünung wie ein Wasserfall, der langsam einen hohen Berg hinab
läuft.
Es ist ruhig hier
draußen.
Ganz das Gegenteil zur
tosenden Brandung vor Hanga Piko.
Und so kam es, dass wir
deutlich länger auf Rapa Nui verbrachten, als geplant:
Vom Schreck des
Loopings in der Welle fast erholt, müssen wir, aufgrund der
Windverhältnisse, den Ankerplatz wechseln. Auch die anderen Segler
gehen Anker auf nach Vinapu, in die südöstliche Bucht vor der
Flugpiste. An Land kommt man hier nicht.
ankern in hoher Dünung vor dem Ahu Tongariki in der Caleta Hotuiti |
Einen Tag später
verlegen wir weiter östlich, vor das Ahu Tongariki. Hier kann man
mit den Dinghi in einer klitzekleinen Ausbuchtung anlanden. Marc von
der Shag II nimmt uns mit an Land, denn unser Außenborder ist hin.
Noch ahnen wir nicht, dass dies unser geringstes Problem sein wird.
Die Legende sagt, dass
die Moais zu den Plattformen (Ahus) g i n g e n, nachdem sie aus dem
Vulkanstein geschlagen wurden.
Einer der ersten
einheimischen Archäologen, Sergio Rapu, hat Beweise gefunden, die
die Idee unterstützen, dass seine Vorfahren ein fortschrittliches
Transportsystem für die tonnenschweren Figuren gefunden hatten.
Diese Theorie würde die bisherige Annahme, dass die Vorfahren alle
Bäume fällten, um die Moais zu transportieren, widerlegen.
Das Ahu Tongariki, am
Vulkan Rano Raraku, wurde in den 90er Jahren restauriert, und ist mit
seinen 15 Moais das größte Ahu auf der Insel. Die japanische
Regierung stiftete den Kran, mit dem die Figuren wieder aufgerichtet
und auf die Plattform gehoben wurden. Der Kran dient heute zum
Entladen der Versorgungsschiffe.
Noch ahnten wir nicht,
dass auch wir diesen Kran in den nächsten Tagen dringend benötigen
sollten.
Der Wind soll weiter
über Süd drehen. Wir beschließen, uns bis zum nächsten Winddreher
aus Ost, in eine Bucht im Norden der Insel zu legen und „Badeurlaub“
zu machen. Wenn wir am Folgetag wieder nach Hanga Roa verlegen, haben
wir die Insel einmal umrundet.
Ahu Tongariki mit dem Vulkan Rano Raraku dahinter |
Der 13.03.2013. Die
Sonne scheint, eine leichte Brise trägt uns um den Ostzipfel und an
der Nordseite Rapa Nuis entlang. Kühe und vor allem Pferde grasen
auf der hügeligen Landschaft der Nordseite. Ein Bild, wie es von
Samsö DK nicht schöner sein könnte.
Wir nähern uns der
Bucht O´Vahe. Sie hat einen kleinen Sandstrand, an dem Urlauber
sonnenbaden.
Hier ist es doch nett.
Wir fahren einen Schwojenkreis ab, um Anker zu werfen. 6m zeigt der
Tiefenmesser. Dann rufe ich: „Stein Backbord voraus“. Der Skipper
legt „Ruder hart Steuerbord“, als es plötzlich kracht. Wir schwenken achtern nach Backbord und das Ruder setzt sich
schlagartig mit dem Stein in Verbindung. Wir versuchen offenes Wasser
zu erreichen und verlassen
fluchtartig die Bucht.
Das Ruder reagiert nur
noch nach Steuerbord. Ach du lieber Himmel, Ruderschaden! Ungläubig
stoppen wir in tieferem Wasser auf und Michael springt in die Fluten,
um sich ein Bild vom Schaden zu machen.
Das Ruderblatt ist am
unteren Ende abgeknickt, aber noch dran.
Hoffentlich verlieren
wir es nicht. So schnell, wie möglich nehmen wir Kurs auf Hanga Roa,
rufen die Armada über Kanal 16, schildern, so gut es geht, unser
Problem und bitten, alles in die Wege zu leiten, damit wir in Hanga
Piko aus dem Wasser kommen können. Das muss nämlich der
Hafenkapitän der Armada genehmigen.
Wegen der
Sprachschwierigkeiten rufe ich zur Sicherheit unseren
TO-Stützpunktleiter an. Ich höre jemandem an anderen Ende, aber
kann mit dem iSatPhone überhaupt nichts verstehen. Hermann versteht
mich gut, bekomme ich mit, und er versteht sofort, dass wir dringend
Hilfe benötigen.
Kurz bevor wir in Hanga
Roa ankommen meldet sich Pascua Radio über Kanal 16. Ich gehe an das
Funkgerät und es meldet sich eine Frau; auf deutsch!
Hermanns Cousine,
Helga, ist nach seinem „Notruf“ zur Armada gefahren und übersetzt
für uns.
Ich kann unser Glück
kaum fassen. Am entlegensten Ort der Erde können wir uns auf deutsch
verständigen. Mir fällt ein Stein von Herzen und ab diesem
Zeitpunkt ging alles sehr schnell.
(Fortsetzung folgt)
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