Mittwoch, 13. März 2013

Osterinsel - und vom Glück im Unglück

Ich sitze an Deck und lasse meinen Blick achteraus über den Horizont wandern. Schon der vierte Tag auf See. Ist es wirklich schon so lange her? Und ist uns das alles wirklich passiert?
Erneut gleitet mein Blick über dieses endlose Blau. Eine leichte Brise schiebt uns mit vier Knoten in westliche Richtung. Die Dünung ist unglaublich hoch. Sie hebt ANICO im glitzernden Sonnenlicht bis auf ihren Kamm und lässt sie seicht wieder ins Tal hinabgleiten. Am Horizont glitzert die Dünung wie ein Wasserfall, der langsam einen hohen Berg hinab läuft.
Es ist ruhig hier draußen.
Ganz das Gegenteil zur tosenden Brandung vor Hanga Piko.

Und so kam es, dass wir deutlich länger auf Rapa Nui verbrachten, als geplant:
Vom Schreck des Loopings in der Welle fast erholt, müssen wir, aufgrund der Windverhältnisse, den Ankerplatz wechseln. Auch die anderen Segler gehen Anker auf nach Vinapu, in die südöstliche Bucht vor der Flugpiste. An Land kommt man hier nicht.
ankern in hoher Dünung vor dem Ahu Tongariki in der Caleta Hotuiti
Einen Tag später verlegen wir weiter östlich, vor das Ahu Tongariki. Hier kann man mit den Dinghi in einer klitzekleinen Ausbuchtung anlanden. Marc von der Shag II nimmt uns mit an Land, denn unser Außenborder ist hin. Noch ahnen wir nicht, dass dies unser geringstes Problem sein wird.

Die Legende sagt, dass die Moais zu den Plattformen (Ahus) g i n g e n, nachdem sie aus dem Vulkanstein geschlagen wurden.
Einer der ersten einheimischen Archäologen, Sergio Rapu, hat Beweise gefunden, die die Idee unterstützen, dass seine Vorfahren ein fortschrittliches Transportsystem für die tonnenschweren Figuren gefunden hatten. Diese Theorie würde die bisherige Annahme, dass die Vorfahren alle Bäume fällten, um die Moais zu transportieren, widerlegen.
Das Ahu Tongariki, am Vulkan Rano Raraku, wurde in den 90er Jahren restauriert, und ist mit seinen 15 Moais das größte Ahu auf der Insel. Die japanische Regierung stiftete den Kran, mit dem die Figuren wieder aufgerichtet und auf die Plattform gehoben wurden. Der Kran dient heute zum Entladen der Versorgungsschiffe.
Noch ahnten wir nicht, dass auch wir diesen Kran in den nächsten Tagen dringend benötigen sollten.

Der Wind soll weiter über Süd drehen. Wir beschließen, uns bis zum nächsten Winddreher aus Ost, in eine Bucht im Norden der Insel zu legen und „Badeurlaub“ zu machen. Wenn wir am Folgetag wieder nach Hanga Roa verlegen, haben wir die Insel einmal umrundet.

Ahu Tongariki mit dem Vulkan Rano Raraku dahinter
Der 13.03.2013. Die Sonne scheint, eine leichte Brise trägt uns um den Ostzipfel und an der Nordseite Rapa Nuis entlang. Kühe und vor allem Pferde grasen auf der hügeligen Landschaft der Nordseite. Ein Bild, wie es von Samsö DK nicht schöner sein könnte.

Wir nähern uns der Bucht O´Vahe. Sie hat einen kleinen Sandstrand, an dem Urlauber sonnenbaden.
Hier ist es doch nett. Wir fahren einen Schwojenkreis ab, um Anker zu werfen. 6m zeigt der Tiefenmesser. Dann rufe ich: „Stein Backbord voraus“. Der Skipper legt „Ruder hart Steuerbord“, als es plötzlich kracht. Wir schwenken achtern nach Backbord und das Ruder setzt sich schlagartig mit dem Stein in Verbindung. Wir versuchen offenes Wasser zu erreichen und verlassen fluchtartig die Bucht.
Das Ruder reagiert nur noch nach Steuerbord. Ach du lieber Himmel, Ruderschaden! Ungläubig stoppen wir in tieferem Wasser auf und Michael springt in die Fluten, um sich ein Bild vom Schaden zu machen.
Das Ruderblatt ist am unteren Ende abgeknickt, aber noch dran.
Hoffentlich verlieren wir es nicht. So schnell, wie möglich nehmen wir Kurs auf Hanga Roa, rufen die Armada über Kanal 16, schildern, so gut es geht, unser Problem und bitten, alles in die Wege zu leiten, damit wir in Hanga Piko aus dem Wasser kommen können. Das muss nämlich der Hafenkapitän der Armada genehmigen.
Wegen der Sprachschwierigkeiten rufe ich zur Sicherheit unseren TO-Stützpunktleiter an. Ich höre jemandem an anderen Ende, aber kann mit dem iSatPhone überhaupt nichts verstehen. Hermann versteht mich gut, bekomme ich mit, und er versteht sofort, dass wir dringend Hilfe benötigen.
Kurz bevor wir in Hanga Roa ankommen meldet sich Pascua Radio über Kanal 16. Ich gehe an das Funkgerät und es meldet sich eine Frau; auf deutsch!
Hermanns Cousine, Helga, ist nach seinem „Notruf“ zur Armada gefahren und übersetzt für uns.

Ich kann unser Glück kaum fassen. Am entlegensten Ort der Erde können wir uns auf deutsch verständigen. Mir fällt ein Stein von Herzen und ab diesem Zeitpunkt ging alles sehr schnell.
(Fortsetzung folgt)

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