Donnerstag, 28. März 2013

Osterinsel (Fortsetzung)

Wir schaffen es, mit dem Hilfsruder des Windpiloten, bis zum Ankerplatz vor Hanga Roa. Kaum haben wir den Anker heruntergelassen kommt Arturo in seinem offenen Boot durch die Wellen heran und bringt unser teuer bezahltes Ersatzteil für den Außenborder. Die Zündspule für 250U$ wird immerhin direkt an Bord geliefert.
Wir sollen zur Armada kommen und fragen Arturo, ob er uns nach Hanga Piko fährt.
Dort wartet schon Helga auf uns. Wir sind uns sofort sympathisch. Ohne Helga wären wir ziemlich aufgeschmissen gewesen. Helga nannte es später: Liebe auf den ersten Blick.

Sie fährt mit uns zur Armada und übersetzt für uns. Der Capitán de Puerto, Eduardo Ortiz Diaz entscheidet, ob wir nach Hanga Piko einlaufen dürfen. Bei Hochwasser am nächsten Morgen ist es möglich; oder sofort. Das Wetter soll so bleiben, aber der Wind soll morgen zunehmen und es wird schwieriger dort einzulaufen.
Außerdem sind wir auf die Hilfe der Armada angewiesen. Sie muss uns mit ihrem Boot in den kleinen Hafen schleppen, da wir auf so kleinem Terrain manövrierunfähig sind.
Ich habe schreckliche Angst, denn der Ritt mit dem Dinghi sitzt mir noch tiefer in den Knochen, als ich dachte. Helga ist eine große Stütze und begleitet uns mit dem Boot der Armada zum Ankerplatz. Wir bringen Fender an Backbord aus. Die Marinesoldaten nehmen uns an die Steuerbordseite ihres starken Schiffes und zurren alle Leinen fest. Im Doppelpack geht es nach Hanga Piko. Die Wellen sind noch enorm und die Einfahrt in den Hafen ist schmal. Von weitem sieht man bereits den Torso der im letzten Jahr gestrandeten LaRose aus Südafrika auf der Seite an Land liegen. Kein schöner Anblick und ich drücke die Daumen, dass alles glatt läuft mit uns.
 

Auch Helga beißt sich auf die Fingerknöchel und schaut angespannt immer wieder zu uns herüber.
Die Jungs von der Marine leisten gute Arbeit und bringen uns sicher nach Hanga Piko.
Der Liegeplatz ist direkt in der Hafeneinfahrt und bei bewegter See kommt dort ein furchtbarer Schwell und eine enorme Strömung hinein.
Eine Nacht müssen wir dort ausharren. Die Tampen knarren und Anico wird hin und her geschubst. An Schlaf ist nicht zu denken. Immer wieder kontrollieren wir die Festmacherleinen. 3 16mm Leinen sind durchgescheuert. Auch den Anker mussten wir zur Sicherheit herunterlassen.
Von der Kaimauer werden wir auf deutsch begrüßt. Ein junger Mann mit Schutzhelm gibt sich als Landsmann zu erkennen. Johannes hat es der Liebe wegen nach Rapa Nui verschlagen. Er ist mit Hana, der Tochter des Chefs, verheiratet und hat einen kleine Sohn.
Ich frage Johannes, ob er für uns übersetzten kann. Na klar, ist ja auch mal eine Abwechslung zum Abgleich der Ladelisten. Wir sind dankbar, dass auch hier wieder unsere Glücksfee eingegriffen hat.
Am Tag darauf soll Anico aus dem Wasser gehoben werden.
Dies ist kein Hafen und die Männer heben sonst Paletten aus den Barkassen, die zum Entladen der auf Reede liegenden Cargoschiffe kommen. Nur wenn, wie wir, mal ein Segler dort heraus gehoben werden muss, dient der Kran auch dazu. Himmel, wie wird unsere Anico aussehen hinterher, und vor allem: wie soll sie aufgebockt werden?
Der Chef Jorge Pont, genannt Tongariki, schaut sich Anico lange an und kaut auf seinem Zeigefingerknöchel. Und dann geht es los:
Der Kran wird herangefahren und die Gurte kommen unter Anicos Bauch. Die Männer haben alle Stiefel mit Profil an, in dem sich der rote Schlamm, der seit dem Regen den feinen roten Sand auf dem Ladeplatz durchweicht hat, festgesetzt hat. Damit laufen sie nun bei uns an Deck rum, na toll! Da müssen wir nun wohl durch.
Luis, der Kranführer, macht seine Sache gut. Vorsichtig wird Anico an Land gestellt. Ein Container steht schon dort und unser Segelboot wird ein wenig schräg dort gegen gelehnt. Ein zweiter Container kommt auf die andere Seite. Michael verzurrt die Container miteinander, damit sie nicht auseinander rutschen. Auf Michaels Drängen, wird noch ein dritter Container zur Sicherheit daneben gestellt. Darüber macht Tongariki seine Witze, denn was er hier hingestellt hat, ist noch niemals verrutscht.
Es ist der 14.03.2013 und Anico steht schief, aber heil, zwischen den Containern an Land. Hier wird Michael, mal im Regen durchweichten Boden, mal bei Sonnenschein, zwei Wochen lang das Hauptruder reparieren.
Johannes taucht fast jeden Tag, wenn Michael Feierabend macht, auf und fährt uns mit dem Auto „nach Hause“. Für Helga war es selbstverständlich und sofort klar, dass wir bei ihr wohnen. Sie hat neben ihrem, am anderen Ende des Ortes, gelegenen Hauses noch ein Gästehaus, welches wir zwei Wochen lang bewohnen durften. Fantastisch, wie hilfsbereit und großzügig, wo wir uns doch gar nicht kennen. Wir sind so glücklich darüber, denn auf dem Boot zu wohnen, bei dem Dreck, der Schieflage und ohne Wasser an Bord, ist das Gästehaus für uns der pure Luxus.
Die Tage, an denen ich Michael nicht helfen kann, bleibe ich in unserem neuen Heim. Helga ist Journalistin und bringt jeden Monat zweisprachige Artikel (spanisch/englisch), vor allem über die Geschichte der Osterinsel, in ihrer eigenen Hochglanzzeitschrift heraus.
Außerdem hat sie einen Großhandel für T-Shirts, Tischdecken, Hemden, Tücher und kleinere Artikel, die sie nach ihren eigenen Entwürfen anfertigen lässt, und an die Geschäfte auf der Insel verkauft.
Der kleine Showroom in ihrem Haus ist in der Woche bis 16:00h geöffnet und kann von Jedermann besucht werden.
Vicki hilft ihr, und wenn grad kein Kunde im Laden ist, bereitet Vicki das Mittagessen.
Manchmal kommt der eine oder andere Interviewpartner für einen Artikel vorbei. Dann kommt ein Teller mehr auf den Tisch. Auch für mich ist immer gedeckt, wenn ich da bin. Ein Leben, wie im Paradies.
Am Ende der zwei Wochen fällt uns der Abschied mächtig schwer, aber das Ruder ist repariert und Anico kommt am 27.03.2013 zurück ins Wasser. Wir besorgen Bier und Grillfleisch für die Männer von Tongariki für ein Abschieds-Asado.
Dann wird uns die Rechnung präsentiert: 2.000U$ für das Ein- und Auskranen. Wir fallen fast vom Stuhl, denn Tongariki, der leider für ein paar Tage in Santiago de Chile ist, sprach immer von 1.000U$. Damit hatten wir ja gerechnet, aber das Doppelte?! Uns sind die Hände gebunden und so gehe ich zum Geldautomaten und ziehe den Gegenwert in Chilenischen Peso.
Am nächsten Morgen überraschen uns Hana, Johannes und Söhnchen Tongariki Guido, benannt nach seinen Großvätern. Zum Abschied haben sie uns jeweils eine Halskette und einen aus Holz geschnitzten Moai zur Erinnerung mitgebracht. Wir sind gerührt. Haben wir doch auch bei den beiden im Haus ein zauberhaften Abendessen erleben dürfen. Danke Johannes und Hana.

Wir laufen bei relativ ruhigem Wetter mithilfe der Armada wieder aus dem Hafen, und setzen gleich Kurs auf die Iles Gambier ab. Nicht ohne dass die Armada nochmal 12.000 Pesos für irgendwas verlangt, was ich nicht verstehe. Ich habe noch 20.000 Pesos (etwa 30 EUR), die ich dem jungen Mann über die Reling reiche, ohne dass ich das Wechselgeld erhalte – egal, jetzt nur noch weg hier!
Die kleine Familie schaut uns nach, wie wir langsam an der Brandung vorbei kommen.
Wehmut und Erleichterung begleiten uns noch lange.
In einer späteren E-Mail erfahren wir, dass Helga eine Quittung über 10.000 Pesos für uns bekommen hat. Sie ist noch nach Hanga Piko gefahren, um uns zu erwischen, aber wir waren schon weg. In der Ferne sah sie Anico auf den Wellen schaukeln und blickte uns ebenso wehmütig nach, wie wir den Abschied von ihr empfunden haben. Danke für alles Helga!



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